Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Das Beispiellose: Überwachungskapitalismus

Veröffentlicht am 17.03.2022

Google weiß, wo du wohnst. Facebook - wer du bist (Buchbesprechung)

Ein alter Kommunist, der es versäumt hatte in den 70er Jahren mit der Technik Schritt zu halten, und dafür den Preis für viele schlechte elektrische (mechanische) Schreibmaschinen zu zahlen hatte, fragte mich gerne, wie Facebook oder Google ihr Geld verdienen, wenn deren Produkte nichts kosten? Wobei natürlich schon die Hardware ihren Preis hat, aber der deckte ja nicht die Software. Ich antwortete damals zu kurz: mit Werbung. Das ist nicht falsch, aber eindeutig zu wenig.

Das Buch von Shoshana Zuboff - besser spät als nie - ist nun das erste, das mir das Geschäftsmodell von Google aber auch Facebook und ihren Nachahmern auf vielen spannenden Seiten vor Augen führt. Ich bin erschüttert: über deren Macht, Ignoranz und Fähigkeit ihr Geschäftsmodell durchzusetzen, und ein Ende ist nicht absehbar.

Der deutsche Faschismus konnte den Widerstand auch deswegen so leicht brechen, weil seine Überwachungs-, aber auch Terrormethoden, denen ihrer Gegner weit überlegen waren, das war zu Zeiten der Spartakusbriefe im 1. Weltkrieg noch anders. Viele Methoden wurden dort auch erst erprobt ("Schutzhaft" usw.).

Heute, wo fast jeder ein Smartphone hat, von den "traditionellen" PCs ganz zu schweigen, ist das alles nochmals anders. Aber es geht hier - noch nicht - um staatliche Kontrolle. Es geht um das Ausspionieren des privaten, intimen, kurz des ganzen Lebens von Millionen bzw. Milliarden von Menschen.

Zuboff erzählt in gut nachvollziehbarer Weise, wie es dazu kam, was diese Entwicklung beförderte, aber auch von den demokratischen Gegenkräften.

Eine der Google-Strategien, die sie beschreibt, ist auch das Abstumpfen und Gewöhnen. Jeder weiß doch heute, dass er von Google und Facebook, von den Geheimdiensten sowieso, ausspioniert wird, da kann man Cookies löschen oder anonym browsen usw. usf. Nur wenn man das Ding ausschaltet, auf den Steinboden wirft und 4 mal kräftig darauf tritt, hat man vielleicht Ruhe, aber wer will die und kann sich die noch leisten?

Das Suchtpotential der neuen Medien ist enorm, und jede Bus- oder Stadtbahnfahrt bestätigt deren Triumph. Die Leute wissen, was umsonst ist, hat seinen/ihren Preis, aber der ist ihnen egal oder eben der Preis für Teilhabe. Manche arme Leute sammeln noch heute die Prospekte der Supermärkte. Mein Nachbar machte das, um die billigen Angebote "abzugreifen". Wenn man keine Wahl hat, ist das die Wahl.

Unmöglich, das auch nur anzudeuten, was in dem Buch erzählt und beschrieben wird, zumal ich erst die Hälfte hinter mir habe, aber das ist bei über 700 Seiten auch nicht schlecht und rechtfertigt vielleicht eine Zwischenbilanz.

Der beste Satz bisher, scheint mir der irgendeines CEOs oder einer seiner Bande zu sein, dass man die Zukunft gestalten muss, um sie vorhersagen zu können. Darum geht es zur Zeit mit zahllosen z.B. Gesundheitsapps oder, ganz neu, dem "Internet der Dinge", von den Spielen nicht zu reden.

Die "intelligenten" Waren drängen uns in eine bestimmte Richtung, erfassen unsere Daten und schieben uns weiter in ihre Richtung. (Google maps kennt die Richtung.)

Ich habe von Adorno in Erinnerung, dass die empirische Sozialforschung so erfolgreich ist, weil die Menschen auf die Reaktionsweise von Lurchen (oder Kröten? oder...) regrediert seien. Na, Adorno kannte uns und den like-Button noch nicht oder Pokémon Go.

Andererseits ja, es geht um Profit durch zielgerichtete Werbung, aber tatsächlich geht es um viel mehr: um eine totalitäre Vergesellschaftungsform, in der die Demokratie nur ein schönes Wort ist, das nun nichts bedeutet; es geht also um unser Zukunft, wenn sie nicht schon hinter uns liegt.

 

Exkurs: Die Art wie bei uns in den Massenmedien über Maskenverweigerer berichtet wird, eine Art Mischung aus Asozialen und Rechtsradikalen -, obwohl dies Prozente, die, wenn es nicht gar Promille sind, völlig irrelevant für das Virusgeschehen, wie man auch früher mal lesen konnte. Aber es geht, wie nach 9/11, nicht oder weniger gegen den Terror oder das Virus, sondern es geht darum, die Bevölkerung hinter neue und bisher nicht dagewesene Überwachung und Repression zu bringen, sie so einzuschüchtern, dass sie alle Maßnahmen als unvermeidlich akzeptieren, auch den Abbau der Demokratie, um diese zu schützen. Was der Friedensfreund Obama mit seinen Drohnen angerichtet hat, ist bekannt, weniger bekannt war mir, wer ihn bei seinem Wahlkampf beraten und finanziert hat.

 

Auch wenn ich mit manchem in dem Buch nicht einig bin: "Das Ringen um Macht und Kontrolle in der Gesellschaft ist damit nicht länger bestimmt durch Fakten von Klasse und deren Beziehungen zu den Produktionsmitteln, sondern vielmehr von den versteckten Fakten einer automatisierten Verhaltensmodifikation. War Macht früher mit dem Besitz von Produktionsverhältnissen gleichzusetzen, so definiert sie sich heute durch den Besitz der Mittel zur Verhaltensmodifikation."

Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, aber das sind Feinheiten, da es doch darum zuerst geht, wie Klassenbewusstsein (nicht) entsteht, oder um es mit einem anderen Buchtitel zu sagen: Warum schweigen die Lämmer? (R. Mausfeld)

 

Zuboff, Shoshana: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Campus-Verlag 2018, 727 S.

 

(Der Text ist von 2020)

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?