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Die Verurteilung des Lukullus von Brecht/Dessau

Veröffentlicht am 03.11.2021

Staatsoper Stuttgart

Bei der Einführung fühlten sich Chefdramaturg und seine beiden Helfer schon gleich bemüßigt, den Unterhaltungsaspekt hervorzukehren. Als wäre das die Hauptsache im Theater: gute Unterhaltung. Die dröge Rezeptionshaltung vor dem Bildschirm hat alles affiziert, kein Gedanke, dass große Kunst nicht primär der Ablenkung und Unterhaltung des gelangweilten Publikums dienen könnte. Auch Brecht und sein Thema: Krieg müssen also das Stuttgarter Publikum unterhalten, auch wenn, wie in der Schule, dann noch nachgeschoben wird, dass auch das Nach- oder Mitdenken zur Unterhaltung gehören könnte. Das glaubt freilich heute keiner mehr.

Die Oper begann ca. 20 Minuten später, da es noch freie Plätze gab und Willige vor dem Hause diese einzunehmen. Wenn man an das Einlass-Prozedere denkt, ein Besuch in einem Hochsicherheitsgefängnis kann kaum anders sein bis auf das (physische) Durchleuchten, aber das kommt sicher auch noch, was Wunder. Vor der Oper stand einiges an Polizei, aber die gehörte weniger den nicht sichtbaren Prominenten, noch zur Inszenierung, auch wenn das Kollektiv "Hauen und Stechen" dafür verantwortlich zeichnet.

Brecht ist bei uns, egal ob in der Hauptstadt Berlin oder der Provinz Stuttgart, nicht mehr seriös zu inszenieren; ohne Klamauk geht es nicht, ohne Schrill und Schrei, ohne sinnliche Unter- (Berlin Mahagonny) oder sinnliche Überforderung (Stuttgart). Hier hatte man die Wahl zwischen dem Mitvollzug des Textes (Obertiteln), der bei einer Brechtoper schon eine Bedeutung hat, den beiden Leinwänden links und rechts der Bühne und derselben. Die Unsitte, dass ein Kameramann die SängerInnen verfolgt und zur Großaufnahme bringt, haben wir auch hier. So schwirrt das Auge hin und her und findet keine Ruhe. Konzentration wäre etwas anderes, aber sie ist das (ein) Gegenteil von "Unterhaltung". Dass Schauspielkunst auf der Theaterbühne anderen Gesetzen folgt als beim Film - wen interessiert das?! Das interessiert so wenig oder viel wie die sogen. interdisziplinäre Zusammenarbeit, die bei Corona einen so fulminanten Zusammenbruch erzielte, dass man davon in Zukunft schamvoll schweigen sollte. Ohnehin zeigte sich, dass bei sogen. (lauten) Fachleuten der Tellerrand den Horizont ersetzt. Freilich wird der, frei nach Brecht, ordentlich gedeckt sein und werden...

Die Frage, ob sich die Oper lohnt, ist falsch gestellt, denn auch, was sich nicht lohnt, ist mitunter der Beachtung wert. In die Rechnung geht mehr ein. Diese Oper "lohnt" durchaus, schon um sich ein Bild davon zu machen, wie man ein ernstes Thema bei uns, die Bilanz eines Feldherrn, bearbeitet. Die Bundesregierung (man denke an Afghanistan) hat und hätte Orden verteilt und eine andere Musik gespielt; nach den Opfern, den Kosten des Krieges, was er gebracht hat, und wofür er geführt wurde, das hören wir nur bei Brecht/Dessau. "Oder schickten dich die Steuerpächter / Und die Silberfirmen und die Sklavenhändler / Und die Forumbanken, die es plündern?" - Da es in diesem Lande wieder Kriegsgelüste gibt, wären solche Fragen angebracht... (Vielleicht sollten die Fridays-for-future Kinder und Jugendliche weniger vor dem Klimawandel als vor den imperialistischen Gelüsten Großdeutschlands Angst haben?)

Es gab starken Beifall, die Stuttgarter Zeitung ist begeistert, ja so ein Slapstick-Brecht geht durch. Die von mir geschätzte Schachbrett-Sitzordnung wurde leider beendet, es dürfen wieder alle Plätze bespielt werden. Mal sehen wie lange noch.

Erfreulich ist, dass dieses Futur II Motto beerdigt wurde, mit dem bei den früheren Einführungen die Leute genervt wurden. Freilich, wenn die Stuttgarter Staatsoper in irgendeiner Weise die 1 Milliarde (mindestens!), die die Renovierung kosten soll, rechtfertigen will, dann muss sie anderes bieten. Die ernsten Fragen, die in dieser Oper gestellt werden: was nützt wem und wer zahlt die "Spesen", könnten hier ein Eigentor werden.

Aber die Dame möchte nochmal hin, und beim zweiten Mal sich auf eine Perspektive konzentrieren.

Zum Schluß: "Ah ja, ins Nichts mit ihm und ins Nichts mit / Allen wie er!" Da hätte ich auch noch Vorschläge für weitere Kandidaten.

 

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PS: Friedrich Nietzsche meint dazu: "Die Fabrik herrscht. Der Mensch wird Schraube."

Dagegen(?) Adorno: "und daß das Bessere aus eigener Kraft sich durchsetze, ist nichts mehr als ein erbaulicher Lebkuchenspruch."

 

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