Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Life can be so nice von Anne Lepper,

Veröffentlicht am 12.01.2023

Kammertheater Stuttgart (10.1.23)

Kommt der soziale Abstieg auf die Bühne, gibt es viele Möglichkeiten ihn für das Publikum erträglich zu gestalten und es (symbolisch) etwas mitleiden zu lassen. Mitunter wird bei der damit verbundenen Gewalt sogar vom Content-Beauftragten gewarnt. (Dreigroschenoper Berlin am BE)

 Solche Stücke sind für das Feuilleton Gelegenheit, alle jene Register zu ziehen, die in anderen Teilen der Zeitungen und Medien schon lange nicht mehr stattfinden oder allenfalls als Parodie. Ich meine in der StZ (9.1.23) liest man von Thälmann-Kappen und Klassenkampf. Der Autorin wird zugestanden, dass sie Marx und Adorno, d.h. die Kritische Theorie, studiert hat, und das kann ja nur einer schreiben, der das auch mal in jungen Jahren versuchte.

 Welche Wohltat in diesem Stück dann Armani und Versace, Oben und Unten an einem symbolischen Ort der (Nicht-)Begegnung, einem Hotel, zu konfrontieren, dazu fetzige Musik, ein modernen Chor, der Erbe des griechischen?*

 Und dann auch noch das: Der in den Untergrund (Hotelküche) verstoßene Protagonist den Stückes, darf erleben, dass er schwul ist. Dass die Liebe ein Ware ist, ist nicht ganz neu, und eigentlich in fast allen (bürgerlichen) Theaterstücken Thema. Freilich lebt die Aufstiegsillusion als affirmative fort, das wird uns als Erkenntnis präsentiert. Als wenn das nicht die Krankenschwestern schon wüssten oder, historisch gesprochen, die Ladenmädchen (S. Kracauer).

 Der junge Mann neben mir ging enthusiastisch mit, schwitze etwas, was leider nicht zu überriechen war. Dafür lodert zweifellos das revolutionäre Feuer in ihm.

 Das bürgerliche Feuilleton kann hier glänzen, es kennt nicht nur Adorno und Marx, sondern auch Sinéad O'Connor, von Van Halen, Prince usw. - Und zum Schluss des Stückes darf der letzte Satz auch einem anderen, historischen Pop-Giganten gelten: Richard Wagner. Der konnte, was die Lautstärke und den Sinnenrausch angeht, auch schon einiges bieten. Und politisch gibt sich das heute nicht mehr viel.

Also, meine hippen Leser, hinein ins Theater, Mehlstaub und Schnitzel werden euch in die moderne Unterwelt entführen und, das ist nun meine Warnung, die letzten Illusionen rauben. Irgendwas mit Liebe...

 

So schön kann die affirmative Kultur sein, fast so schön wie deren Beschreibung durch ihre Kritiker.

 

* Das ist die Wahrheit (auch der Musik) in dem Stück. Der Chor singt, was die Reiche hören will.

 ###

»Schon Walter Benjamin hat darauf hingewiesen, ‚dass der bürgerliche Produktions- und Publikationsapparat erstaunliche Mengen von revolutionären Themen assimilieren, ja propagieren kann, ohne damit seinen eigenen Bestand und den Bestand der ihn besitzenden Klasse ernstlich in Frage zu stellen‘.« (Zit. nach Pfaller, Robert (2009): Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur, Fischer Taschenbuch Verlag)

 

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?