Ein kurzer Text dazu
Nun, es gibt so Bücher, da wird jemand aus der akademischen Oberschicht freundlicherweise überredet, aus einer Vorlesung ein Buch zu machen. Nun überleben inzwischen die dort Lebenden nur noch durch Publikationen („Anzahl der publizierten Artikel, die als Voraussetzung für akademisches Fortkommen gilt‟), also fallen derartige Ratschläge natürlich auf fruchtbaren Boden, v.a. wenn entsprechende Unterstützung vorhanden ist.
Der Dumme ist der Leser, der das alles mit weniger Zeit in einem Feuilleton gerne mal gelesen hätte, zur Ablenkung, um etwa über die (über-)regulierte Gesellschaft bei nächster Gelegenheit ein paar Bildungsgüter aufzufahren, ein Effekt will gemacht sein. Aber dafür ein Buch aus Kraut und Rüben?
Es geht um eine kurze Geschichte der Regeln, und zwar überall, von den Algorithmen über Militärisches (eine Burg beschießen) bis zu, ja bis zurück und in der Geschichte(Geschichten) wieder nach vorn, Naturgeschichte, Naturgesetze eingeschlossen. Sagen wir gleich was fehlt: Norbert Elias, auch ein großer "Regelforscher". Aber wenn, das nenne ich Kraut und Rüben, die Menschen mit ihren Regeln und die Natur (Mathematik) in ein Buch gezwängt werden, geht es dort recht eng zu.
Braucht man Marx, vermutlich schon, um sich im Klaren werden, wie sinnlos, bzw. abstrakt es wird, wenn man sich die Arbeit im Raum und Zeit (verschiedenen, verschiedener) vornimmt und dann kommt irgendwas mit Mühsal o.ä. heraus? Frau Daston weiss, wenn nicht von Marx dann woanders her, „wie vielfältig das Wesen von Arbeit in verschiedenen geschichtlichen und kulturellen Kontexten eben ist.‟ So scheint es mir mit den Regeln in den verschiedenen Sphären ebenso. Interessant wäre es gewesen, die Uniformierung der Welt mit schlanken und fülligen in Beziehung zu bringen, d.h. den Freiheitsgrad versuchen zu bestimmen, den wir in der verwalten Welt (nicht) haben und als Freiheit verstehen, aber das wäre ein anderer Fokus gewesen.
Oder Frau Daston hätte sich auf die mathematischen (algorithmischen) Regeln kaprizieren können, und dann vielleicht etwas ausführlicher für den durchschnittlich Begabten erklären können, was nun Wittgenstein hier auszusetzen oder zu entdecken hatte. Immerhin sprach er wohl darüber...
Ich habe auch das Gefühl, sie flüchtet etwas in frühere Jahrhunderte, wenn es um politische Rechtsfragen und Ausnahmen geht, als wenn es gerade in Corona-Zeiten und mit Hilfe von Herrn Gigerenzer, nicht auch hier manche Regel statistisch zu hinterfragen gegeben hätte und noch gibt?! Aber wer wagt das noch in diesem Milieu?
Es bleibt ein Buch, das man bürgerlichen Freunden schenken kann, einmal mehr wird der Horizont erweitert, der inzwischen von all diesen Erweiterungen ganz unübersichtlich geworden ist, und nichts mehr zusammen passt.
Auch hier gibt es ein Missverhältnis zwischen Beispielen und Gehalt: „Die Finger mögen ebenso mühelos und unbewusst über die Tasten huschen, wie wir die Beine beim Gehen bewegen, doch die Anforderungen der Algorithmen fesseln die Aufmerksamkeit - ein falscher Klick, und Sie haben eine vertrauliche Email an ihre gesamte Kontaktliste geschickt oder die Ware gleich neben der eigentlich gewünschten gekauft oder das Online-Steuerformular falsch ausgefüllt.‟ Als wenn das das Problem beim Smartphone wäre?!
Was ich noch nicht wusste, aber da bin ich diesen Psychologen schon immer voraus gewesen: „Deshalb benutzten Psychologen bei ihren Tests regelmäßig Rechenaufgaben, um die Stärke willentlicher Aufmerksamkeit und die Widerstandsfähigkeit gegen geistige Ermüdung zu bestimmen.‟ Ich selbst habe von Anfang an mit Schätzungen gearbeitet; sonst wäre ich vielleicht Bankkaufmann geworden und dann womöglich in der Bankenkrise einer dieser Leute, die Schrott an ihre Kundschaft verkauft haben.
Da gab es wohl keine Regel außer der Profit-"Regel".
Daston, Lorraine: Regeln. Eine kurze Geschichte. Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verl. Berlin 2923 (zuerst 2022)
Übersetzung von Herrn Google und kleiner Nachtrag zum letzten Beitrag.
"Das Spektrum der 'Aristokraten' reicht von liberalen und progressiven Denkern bis zu jenen, die in ihrer Verachtung für den Pöbel noch extremer sind. Reaktionäre Staatsanhänger der Reagan-Variante, die im zeitgenössischen Neusprech absurderweise 'Konservative' genannt werden, sind typische Beispiele. Sie sind nicht bereit, der Öffentlichkeit auch nur die Rolle eines 'interessierten Zuschauers der Aktion' zuzugestehen, und befürworten geheime Operationen - die vor niemandem außer der heimischen Öffentlichkeit geheim gehalten werden - und strengere Zensur, um den mächtigen Staat zu schützen, den sie als Wohlfahrtsstaat für die Reichen pflegen; und natürlich mehr Macht in den Händen des pro- und staatlich subventionierten 'Privatsektors', der praktisch im Geheimen operiert."
Carey, Alex: Taking the Risk out of Democracy. Corporate Propaganda versus Freedom and Liberty. Edited by Andrew Lohrey. Forword by Noam Chomsky. University of Illinois Press1997
Einen Wohlfahrtsstaat für die Reichen haben wir auch. Danke SPD!
###
Ende hier 29.7.24
Wer hier Rechtschreibfehler findet, dem sei noch gesagt: "Gerade im Englischen ist korrekte Rechtschreibung kein zuverlässiger Indikator für Klassenzugehörigkeit oder Bildungsniveau." Ich zweifle freilich daran.