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Staatstheater Stuttgart. Der gute Mensch… von Bert Brecht

Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein Parabelstück will uns etwas sagen. Was immer es zu sagen hat, tut es in einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Ort. Werden diese verlegt, dann mit der Absicht, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, affektiv Besetztes auszublenden. Spielte das Stück in Stuttgart, wäre unser OB vielleicht nicht gekommen, da hier ja noch kein bzw. kaum Hunger herrscht und das Elend von der Polizei mehr oder weniger in Schach gehalten wird, auch wenn es auf dem Nachhauseweg nicht zu übersehen ist. Aber wir stehen ja erst am Anfang von Hungern und Frieren.

Wichtig erscheint mir, dass Handlungen nicht in der Luft hängen, von Gott oder den Göttern gesandt werden, sondern, und wenn doch, in den irdischen sozialen Verhältnissen aufschlagen - und sich bewähren müssen oder auch nicht. Dazu ist eine bestimmte Spielweise wichtig, die einen bestimmten Typus und eine passende Umgebung repräsentieren, und entsprechend typisch gestisch agiert wird. Man macht dabei nicht etwas nach (Naturalismus), sondern übertreibt es, um das Typische herauszuarbeiten.

Schauen Sie sich das Programmheft an: Eine junge Frau mit herzförmiger Brille und blonden toupierten Haaren (Perücke). Sie trägt ein blaues Glitzerkleid mit dem sie auch zum Mond fliegen könnte. Im Stück hat unsere Protagonisten noch eine Art rote Plastikmütze auf dem Kopf. Das ist so lustig wie ein Wasserverkäufer, der keinen normalen Schritt gehen kann, sondern schon zu Beginn zappelt er wie verrückt und rennt entsprechend auf der Bühne, und darüber hinaus, herum, dass sein kurzes Röckchen nur so flattert.

Damit wird ein Tempo erzeugt, dass dann ruhigere Stellen als langweilig in den Schatten stellt, anders gesagt, die Längen im Stück entstehen durch das ungerechtfertigte Tempo an anderer Stelle. Da ist kein Erholen, sondern oft die berührendsten Stellen werden konterkariert. Hier wird nichts verfremdet, weil einem alles fremd wird einschließlich dem Bühnenbild. Hier wird nicht eine soziale Handlung in ein entsprechendes Milieu eingebettet, sondern auf den bonbonfarbenen Mond geschossen.

 Trotzdem dringt an manchen Stellen ein originaler Brecht durch z.B. im Lied vom 8ten Elefanten, aber das ist die Ausnahme. Eine, diese postmoderne (?) Inszenierung verfehlt Brechts gestisches Theater völlig, sprich: mal wieder versteht man es in Stuttgart einem Stück die Schärfe zu nehmen, es zu ruinieren.

 Das lenkt von täglichem Allerlei nicht so wirklich ab, so dass Mann in der Pause dem OB seine Frau vorstellen kann. Herr OB, darf ich Ihnen meine Frau vorstellen. (Nicht ausgesprochen: Gib Pfötchen!) Hier haben wir wieder eine soziale Handlung. Der gute Mann stellt seiner Frau nicht den OB vor, sondern dem hohen Herrn die seinige. Warum auch immer. (Das wäre eine weitere Frage!) -

Das neue Wahrzeichen von Ba.-Wü. ist der Waschlappen. Die neue Hymne des Landes lautet: Wir waschen (uns) rein, wir seifen (euch) ein…

Die wenigen Buhs waren verdient, der Beifall galt dem großen Engagement der SchauspielerInnen. Aber ich irre mich zweifellos; was sagt ein Brecht dem Stuttgarter Bildungsbürgertum heute? Ein schöner Abend mit sozialem Benefit.

Auf der anschließenden Premierenfeier war wieder ordentlich Radau (Musik), so dass einem nur der Reißaus blieb. Um dann auf der Suche nach einem Ess-Lokal einmal mehr zu scheitern.

Stuttgart! Muss muss muss.

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