Es gibt viele Gründe auf einer Insel Urlaub zu machen, liegt sie gut erreichbar mit der Bahn und Fähre: umso besser. Schwimmen in der Ostsee, nun ja, wer denkt dabei schon an die in ihr rostenden Fässer mit Atommüll (die früheren Regierungen sind nicht schlimmer als die gegenwärtige!), den hohen Plastikanteil (Mund zu beim Schwimmen) und manches mehr.
Dem Bildungsbürger reicht freilich ein Sandstrand nicht, er möchte gerne auf dem Weg dorthin bzw. zurück einen Abstecher ins Gerhart Hauptmann-Haus machen, und natürlich hat er den etwas überschätzten Roman von Lutz Seiler: Kruso gelesen. Also macht er sich auf den Weg »Zum Klausner«, der freilich mit dem dort beschriebenen wenig gemeinsam noch hat, noch weniger als der heutige »Klausner«, vielleicht bis auf das etwas unmotivierte Personal, das auch hier fehlt. (Die Küche hatte gerade wegen Personalmangels die Öffnungszeiten reduziert. Und es fehlt leider der Enthusiasmus im Buch, dieses Lokal offen zu halten.)
Wer sich nicht genügend bewegt, der kann der Tanzgruppe in der Kirche beiwohnen, wir konnten nur ein Blick erhaschen, was vielleicht genug schon war, oder ins blaue Asta-Nielsen Haus pilgern: das »Karusel«. Leider verpassten wir den Inselbus, was einen längere Aufenthalt im falschen Dorf nach sich gezogen hätte, wäre da nicht die Pferdekutsche vorbei gekommen, die uns per Anhalter freundlicherweise mitnahm. Ein Hoch auf unsere Kutschfahrt, die gefühlt auch nicht langsamer stattfand als der Inselbus, aber berechenbarer was die Pferdestärken angeht. Zwei waren völlig ausreichend, und die auch noch zu 100 Prozent Bio!
Ganz kurzfristig waren wir in dem Logierhaus »Zur Post« untergekommen, Unterkunft mit Frühstück vom »Koch«. Die Ergeschoßwohnung etwas klein, aber das Haus ziemlich begrünt, die Ungezieferbelastung hielt sich erfreulicherweise in Grenzen, der Garten hinterm Haus ein Traum. Aber das Beste war die Ruhe in dieser autofreien Insel, d.h bis auf morgens die Funktionsfahrzeuge wie die Müllabfuhr, die verschwanden aber als die Touristen aus Rügen andockten.
Das Essen in den verschieden Lokalen: gute Hausmannskost, viel unter Panade verborgener Fisch mit gebratenen Kartoffeln, das isst man ein paar Tage mit Genuss, auch den Wein…, aber dann gibt es eine Sehnsucht nach italienischem oder chinesischem Essen, das fehlt leider, zumindest haben wir keines entdeckt. Frühstück wurde übrigens serviert, bzw. stand schon auf dem Tisch, freilich das Frühstücksei war leider kalt und labbrig, da half, man freut sich über diese kleinen Tricks, das kochende Teewasser, um dem Ei den nötigen Rest zu geben.
Es gibt im Frühstücksraum eine überraschende kleine Bibliothek, eine Art Ikea-Regal voller bunt zusammengewürfelter Bücher; ich vermute, sie stammen vom Vorbesitzer und wurden freundlicherweise übernommen. Darin fanden sich Bücher aus der Fundus-Reihe, d.h. vom Verlag der Kunst Dresden aus früherer Zeit, die freilich nicht zur Lektüre der Helden von Seilers Kruso gehört haben dürften. – Ein Fehler, dass man die kritischen Leute zum Davonlaufen bringt, statt an der Verbesserung der schwierigen Verhältnisse zu arbeiten; bis es dann zu spät ist; seither werden wir alle bestraft und das Davonlaufen ist unerschwinglich geworden und die Frage wäre sowieso: wohin?
Aber doch, das Beste, das ich auf dieser Insel in dieser Bibliothek fand: Christopher Caudwell: Studien zu einer sterbenden Kultur. VEB Verlag der Kunst 1973, zuerst 1938, aber immer noch oder erst recht wieder in unsere Zeit passend : »Und was als nächstes? Rüstungen, die anwachsen wie eine immer größer werdende Katastrophe, Massenneurosen, Staaten, die sich wie tolle Hunde gebärden.«