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Die schöne Helena

Was »Die schöne Helena« von Barrie Kosky angeht, ursprünglich von Jacques Offenbach, so lesen wir im Programmheft, dass man den Subtext nicht als Haupttext inszenieren dürfe – d.h. genau das, was Offenbach von seinen schlimmsten Nachfolgern unterscheidet. Das würde dem Werk nicht gerecht. Also alle Versuche, ein Werk aus der Vergangenheit an die Gegenwart anzupassen, sind damit erledigt.- Was bleibt dann? Beispielsweise die Kritik an der Institution Ehe; das ist aber auch das einzige Beispiel, von dem wir lesen. Angepasst wird die Musik z.B. mit kleinen Wagner-Zitaten. Ob das Offenbach gefallen hätte, steht dahin, aber auf den Effekt kommt es an. Und wie wir wissen, ist das Wiederkennen in der Musik eine der bedenklichsten Freuden.

Und eine Offenbach-Operette, die man ihres anarchistischen Charakters entkleidet, was ist das? Gute Unterhaltung! Also das, was in der Etappe nottut. Wobei ich etwas zweifle, dass im Jahr 2025 oder auch zur Zeit von Koskys Premiere 2014, die Kritik an der Ehe noch wirklich aktuell ist.

Auch Dada war nicht nur Klamauk, sondern entstand im 1. Weltkrieg gegen die »Rationalität« einer aus den Fugen geratenen Welt, gegen den Irrsinn, der sich für vernünftig hielt, also gegen die Zeitwende 1.0. (1914)

Offenbach und Wagner, lesen wir, seien zwei Seiten einer Medaille. So wie Leben und Tod, Deutschlands Größenwahn und Internationalismus, autoritärer Gestus und antiautoritäre Turbulenzen? Krieg und Frieden?!

Was wir sehen, wobei in Reihe 11 die deutschen Untertitel nicht mehr zu lesen sind, trotz neuer Brille, ist »gute« Unterhaltung, Verkleidung und temporeiche abwechslungsreiche Musik, immer wieder aktualisiert, es fliegen die Beine wie sonst im besten Ballett, die Männer dürfen Hintern zeigen und die Frauen Beine. Alles züchtig und tüchtig und kreuz und que(e)r.

Nun, könnte man einwenden, ist doch wenigstens die Verspottung der hehren griechischen Götterwelt noch eine schöne Rache an einer drögen Schulzeit? Zumindest bei den Älteren mag das eine Rolle spielen, bei den Jüngeren kaum mehr, die werden mit der Parodie aufgewachsen sein, ohne vom Ideal viel mitbekommen zu haben, vom Real ganz zu schweigen.

Es ist auch nicht anders wie einen Tag zuvor im Berliner Ensemble, wo »Die heilige Johanna« gegen den Strich gebürstet wurde, damit die Frisur dem, was heute en vogue ist, entspricht.

Ja, wir leben in Zeiten, wo Dada wieder aktuell wäre, aber wo können wir das sehen? In diesen braven Theatern nicht.

Siegfried Kracauers Buch zu Offenbach wäre doch ein Anfang.