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Theater

»Eine runde Sache«


nach dem Roman von Tomer Gardi, Bühnenfassung von Noam Brusilovsky


Kammertheater Stuttgart, 26.9.25


»Die meisten professionellen Humanisten sind daher unfähig, eine Verbindung zwischen der Grausamkeit solcher Praktiken wie Sklaverei, Kolonialismus, rassischer Unterdrückung, imperialer Unterwerfung einerseits und der Dichtung und Literatur und Philosophie der Gesellschaft, die sich auf diese Praktiken einläßt, andererseits herzustellen.« Said, Edward W.: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. S. Fischer 1994

Es ist mir ein Rätsel wie man das Stück »Eine runde Sache« nach dem Roman von Tomer Gardi so enthusiastisch goutieren kann, wie das an verschiedenen Orten geschah. Man muss es einmal deutlich sagen, bei aller Ähnlichkeit unserer Zeit mit der vor 1914, Dada ist so wenig wiederholbar wie die Stücke von Samuel Beckett. Der philosophische bzw. anti-philosophischer Gehalt ist an diese Zeit und eine Opposition gegen diese gebunden, wiederholt man diese Form, wird sie schal und leer und endet auf dem Niveau der Sprache auf vielen Schulhöfen oder bei entsprechend bemühten Comedians. Wir haben uns etwas gelangweilt im ersten Teil. Und zur Sprache: nachdem die hiesigen Ureinwohner nebst ihren sogen. Eliten selbst kaum noch ihrer (Hoch-)Sprache mächtig sind, vom Instrument des Denken ganz zu schweigen, hat deren offizielle Verhunzung wohl stark entlastenden Charakter. Der offiziell verkündete Unsinn findet hierin seine adäquate Form. Theater müsste statt dessen mehr denn ja an authentischer Gestik und Ausdruck arbeiten, um die Zeit ins rechte Bild zu rücken.

Beim zweiten Teil, wir haben keine Verbindung zum ersten entdeckt, außer: alles hängt mit allem zusammen, wird das eher schlimmer. Wir haben eine Art kommentierter Filmvorführung zugesehen. So ein Film hätte seinen guten Platz bei Arte oder in einem anderen Programm. Aber Theater war hier wenig. Und für wie doof werden wir gehalten? Das Thema ist z.B. bei Said deutlich früher und natürlich ausführlicher behandelt und in der Kulturwissenschaft (siehe Eric Hobsbawn) ein nicht ganz neuer Hut, und Said ist immer noch aktuell (Siehe Helga Baumgarten/Norman Paech: Völkermord in Gaza, Wien 2025, S. 67)

Ist das eine homöopathische Dosis für Nachhilfeschüler, Globuli für Stuttgarter?

Das wirkliche Gute war die längere Pause und der Sekt ist im Kammertheater auch nicht schlecht.

Wir werden wohl noch lange warten müssen, bis das Theater in Stuttgart auf der Höhe bzw. in den Niederungen unserer Zeit angekommen ist.

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