(= Brecht in Basel)
Wie soll man anfangen? In Berlin haben wir den Besuch der Stadt Mahagonny versäumt, dafür gerade noch in Basel geschafft. Nicht direkt an der immer wieder zitierten Goldküste, aber doch auch nicht ganz weit entfernt. Obwohl doch Basel und Mahagonny so gar nicht zusammen gehen, was man spätestens merkt, wenn man nach der Oper noch etwas Essen möchte.
Die Einladung in diese Stadt, wo man »Alles dürfen darf«, haben wir längst angenommen, diese Stadt reißt keinen mehr vom Hocker. Da gibt es andere Städte und Länder, wo das große Kapital ungeniert regiert. Was eine aktuelle Entwicklung angeht siehe z.B.: Quinn Slobodian: Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen. Bonn 2024:
»Vor hundert Jahren bauten die Räuberbarone Bibliotheken. Heute bauen sie Raumschiffe.«
Man bekommt gleich am Eingang die aktualisierten Gesetze von Mahagonny als Flugblatt überreicht: »Du(!) darfst Teil von Mahagonny sein und mit den Bewohner:innen tanzen« oder »Du darfst dich frei bewegen« oder »Du darfst fernsehen«, d.h. die Live-Übertragung auf den großen Leinwänden verfolgen usw. Ach, man darf und soll sogar auf die Bühne!
Man kann sich das Gewusel in dieser Inszenierung vorstellen, mehr im ersten als im zweiten Teil, der dann im entkernten Theatersaal stattfindet, vorher geht im Foyer die »Party« los.
Wie soll man anfangen? Dass Opernsänger nicht so die ideale Besetzung für diese Art Theater/Oper sind, weil sie zu schön singen? Dass die Möglichkeit, den »Helden« der Bühnen etwas im Wege herum zu stehen und hautnah an sie heran zu kommen, schon den Eintritt wert ist? Dass natürlich, wenn man alle durcheinander laufen lässt (Freiheit?!), die hinteren nichts mehr sehen? Wer sich das wohl mit der erhöhten Bühne ausgedacht hat, und dass der Ausgleich, dass die Bewohner von Mahagonny in eine Kamera singen und grimassieren, eher ins Fernsehen gehört, wir also hier ein Mischmasch vor uns haben, der ästhetisch nicht dadurch aufgelöst wird, dass uns dieser im Einleitungsvortrag als Absicht vorgestellt wird.
Na, und was soll man als älterer Mensch davon halten, dass man sich vor dem Hurrikan, der freilich das Theater vorläufig verschont, in Schutz bringen und auf Matratzen niederlassen kann, aber auch nicht muss, denn es bleibt einem, so einem wie mir, die Möglichkeit auf Abstand im Zuschauerraum zu bleiben.
Das Beste eigentlich ist doch auch schon wieder von der Wirklichkeit überholt, denn die Tafeln, die am Ende des Stückes bei der »Demo« gezeigt werden, was steht denn da darauf – zumindest in meiner Brecht-Ausgabe, die Schrift auf den Tafeln im Theater konnte ich nicht lesen – z.B.: »Für die Freiheit der reichen Leute.« Das braucht doch heute niemand zu fordern, dafür treten alle unsere Berliner Parlaments-Parteien ein. Oder »Für die ungerechte Verteilung der irdischen Güter« – das nenne ich das Regierungsprogramm von CDU/SPD. Zum Ausgleich werden die überirdischen Güter dann gerecht verteilt!
Ach Brecht, so überholt, ach, so aktuell.
(Besuch 10.9.25, Theater Basel, Inszenierung: Benedikt von Peter)