Kategorien
Theater

Hamlet, Staatstheater Stuttgart

Hinterher meinte Herr K., dass er noch nie eine wirklich gute Hamlet-Aufführung gesehen hätte, und bei dieser sei das Beste nach dem Schluss gekommen, als die Intendanten des Dreispartenhauses mit vielen Mitarbeitern auf die Bühne kamen, um gegen die geplanten Sparbeschlüsse des Stuttgarter Rathauses zu protestieren.

Hier war mal wieder die Musik, etwas verrucht, auch so gesungen, neben der üblichen Bum-Bum-Musik, die das Stück zerhackte, und wohl für das Tempo (Stimmung) sorgen sollte, an der das Stück mit dem Voranschreiben des Abends, vor allem im zweiten Teil, zunehmend krankte.

Leider fanden wir auch hier die Verschmelzung von Film, d.h. Video, und Theater. Was die kleiner und unverständlicher werdenden Schauspieler nicht mehr haben, Bühnenpräsenz, das muss die Riesenleinwand ersetzen. Mal von vorn, mal von hinten, mal von oben. Ansonsten ist Schmalhans Bühnenbildmeister.

Die Figuren sind nun das Gegenteil von dem, was ich mir darunter vorstelle: Ophelia tanzt am Anfang auf den Tischen, Hamlets Onkel, der neue König, ist irgendwie auch etwas gestört (behindert), die Kühnheit seines Plans traut man ihm nicht wirklich zu, auch nicht, dass er eine fortgeschrittene Form der Monarchie* vertritt und einen Krieg verhindert! Hamlet ist der angry young man, der mitunter eher den Deppen als den (klugen) Irren macht. Positiv fällt dagegen Gertrud, die Königin (Katharia Hauter) auf, sie kann spielen, auch wenn die lange Szene, in der Hamlet mit seiner Mutter ringt, in die Kinderstube der Psychoanalyse fällt.

Klügere Damen fragten sich, warum diese Übersetzung gewählt wurde, vor mir liegt die von Maik Hamburger und Adolf Dresen, und der hohe Stil oder der Jargon nicht gehalten wurde.

Nun in einem wenigstens bewies Herr Kosminski, Regie, Humor, da es eine Figur gibt, die hält eine Schaufel in der Hand, wie sonst bei Wagner nur Wotan seinen Speer. Apropos: auch hier war der eiserne Wille, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu lachen, wieder nicht zu überhören. Nun, bei Shakespeare lernen wir etwas über den Zusammenhang von Theater und Gesellschaft, sagen wir Theater und Publikum; hier sahen wir eine beidseitige Regression auf ein Theater, das ohne Musik nicht mehr auskommt, dem die Höhe fehlt, um tief fallen zu können, was dann vielleicht auch zu den Bodenübungen der Schauspieler führt. Übrigens der Schluss ganz ohne Aktion, da hätte man doch noch ein Gemetzel inszenieren können, also was hier Kampfchoreographie wohl gewesen sein mag?

Das Theater hätte Mut beweisen können, hätten es gegen die Corona-Maßnahmen protestiert, die vielen freien Künstlern schon die Luft zum Atmen nahm, und jetzt dieser lauwarme Protest, der sich nicht traut, vor den anwesenden Damen und Herren der führenden Parteien, das Elend zu benennen: die Aufrüstung in den dritten und vermutlich finalen Weltuntergang.

* Siehe: Müller, André: Shakespeare ohne Geheimnis. Leipzig 1980

Besuch 6.12.25

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert