Das Berliner Ensemble, das seinen guten Ruf verspielt hat, ist nur noch ein Name. Herr Habeck sollte dort seine erfolgreiche Performance fortsetzen, reicht es doch nicht die Wirtschaft zu ruinieren, warum nicht in der Kulturwelt das nämliche versuchen? Schließlich gilt für die Hochkultur die neue Spar-an-Theatern – Gib-es-für-Kanonen-Kultur.
»Muß, fragt man sich übrigens, denn wirklich alles Unsinn sein, damit es in aller Munde kommt?« Karl Landauer
Dazu ist gute Laune erste Bürgerpflicht, und da Lars Eindinger in Stuttgart schon erfolgreich schlecht gesungen hat, warten wir darauf, dass in unserer Oper bald z.B. Jessy Wellmer die Zarah Leander gibt und uns mal wieder auf ein Wunder einstimmt, denn das könnten wir schon vor dem Krieg gebrauchen.
(Zum Folgenden siehe FAZ vom 30.9.)
Also darf nun auch noch Herr Barrie Kosky, der sonst Opern und Operetten macht, und auch die Dreigroschenoper klein bekommt, zu deren Personaltableau übrigens Herr Habeck wunderbar passen würde, sich Kafka vornehmen, der nun auch schon zu lange tot ist, um sich noch wehren zu können. Dessen »ambivalentes Verhältnis zum Judentum« wird auf den neuesten Stand gebracht und in eine philologisch etwas einseitige, dafür aber musikalisch umso vielseitigeren Form gebracht, lesen wir, also passend gemacht.
»Der Harmonie der Welt, die in seinen Texten ausgelöscht ist, verhilft Barrie Kosky hier mit klugen musikalischen Zusätzen wieder zu ihrem Recht.« Hier hätte ich der FAZ eine kleine Korrektur vorgeschlagen: zum herrschenden Unrecht. Harmonie ist Lüge wie das Ganze das Unwahre – vergessen, verdrängt… (Wer Heine ist Jiddische übersetzt, kennt auch keine Frankfurter Schule mehr.) Freilich sehen das die Herren anders…
»Die Kraft, zu erzählen oder andere Erzählungen in der Entstehung und Entfaltung zu behindern, ist für Kultur und Imperialismus hoch bedeutsam und bildet eine Gelenkstelle zwischen ihnen.« Edward W. Said
Zwar werden in dem Stück nicht die aktuellen Entwicklungen samt dem »eskalierenden Antisemitismus« explizit thematisiert, derweil in Gaza der Massenmord allerdings eskaliert ist, aber das stört kein »geistreiches Musiktheater«, dessen Geist es ist, Kafka für den modernen Kulturkampf in Stellung zu bringen und mit schwungvoller Musik, das Publikum seine Untaten vergessen zu lassen, die Mitmacher vor der Schwelle des Glücks noch ein Stück vorwärts zu schieben. Es ist an der Zeit an das Gedicht zu erinnern, gewidmet Karl Liebknecht, von Walter Hasenclever: Die Mörder sitzen in der Oper. Viel Vergnügen also beim talmudischen Tingeltangel.
Berliner Ensemble. Nach Franz Kafka mit Musik von Bach über Schumann bis Jiddischem Vaudeville. Regie: Barrie Kosky. Musikalische Leitung: Adam Benzwi.