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Die FAZ vor Silvester

Veröffentlicht am 29.12.2023

heute

Schon paradox über eine Zeitung zu schreiben, die man nicht empfehlen kann. Um nicht ungerecht zu sein, überprüfe ich das ab und zu. Ich werde vorsichtshalber nichts zu Wolfgang Schäuble lesen, dazu kann man nur die Leserbriefe in der jW empfehlen (28.12.).

Interessant sind die Kommentare in der FAZ, die versuchen, der brüchigen bürgerlichen Ideologie noch etwas Kohärenz einzublasen. Die „Zeitenwende“ wendet sich langsam, alte Bruchstücke der letzten Jahrhunderthälfte schwimmen im Wörterbrei neben neu enthemmten Zumutungen, die Aufrüstung und die Gewinne aus dem Massenmord andernorts wollen verteidigt(!) werden.

Doch ein bisschen Gewalt darf schon sein, sagen wir besser Zumutungen an den braven Bürger, der seine Ruhe und seine Ordnung lebt und liebt. Also Silvester ist keine Spießerveranstaltung, wenn woanders die echten, die großen Raketen einschlagen, wer könnten dann etwas gegen die kleinen, symbolischen haben? „Wenn das hemmungslose Feiern an diesem Tag nicht erlaubt ist, wann denn dann?“ Das „denn“ verstärkt die Hemmungslosigkeit ohne ein Argument dafür zu liefern. Aber, wir sind in der FAZ: „Doch auch das Hemmungslose hat seine Grenzen…“

So wenig wie die reißerischen Überschriften auf der ersten Seite mit den dann im Blatt kommenden Texten immer kompatibel sind, das machen andere Leute, so wenig gibt es noch Redakteure, die in Logik geschult sind.

Denn die Hemmungslosigkeit hat Grenzen, „die ziemlich leicht zu ziehen“ sind. Hier ist der Spießer, die Spießerin aktiv, die am Sonntag über die Strenge schlägt, am Montag den Rausch ausschläft und am Dienstag so weiter macht. Das haben sie gelernt, das muss so sein, dass es weiter gehen kann.

Ganz anders bei jenen Bürgern, die die Arbeit, die diese Gesellschaft ihnen zumutet, ohne sie selber machen zu wollen, ablehnen, und denen dafür in Zukunft das Bürgergeld für zwei Monate gestrichen werden soll. Nein, das ist keine Zwangsarbeit und keine Androhung der Hungerpeitsche, sondern zumutbar. Dass es bei uns eine zunehmende Zahl von Leuten gibt, die nicht arbeiten müssen, die ihren Reichtum dem Diebstahl (Proudhon, die Kurzform: Eigentum ist Diebstahl) ihrer Eltern (Erben) verdanken, die ihren zunehmenden Reichtum der zunehmenden Verarmung der vielen Anderen verdanken, das stört die echte Bourgeoisie nicht, und ihre Lakaien in Wort und Bild schon gar nicht. Sie predigen die begrenzte Hemmungslosigkeit.

Denn sonst droht das "Dunkelfeld", und da sollte doch lieber der CDU-geführte Senat hineinleuchten als die AfD: Deshalb wird Berlin nun an Silvester von Polizisten überrannt. Mal sehen, was deren gehemmte Enthemmung bzw. enthemmte Hemmung für die Demokratieverachtung leisten wird.

 

PS: Was ich gerade lese und schon nach der Hälfte sehr empfehle:

Denk ich an Deutschland... Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann. Ein Dialog in Israel. Westend Verl., 2023

 

 

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