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Kapitalismus am Ende

Veröffentlicht am 03.01.2023

oder Frau Herrmann?

Was soll man machen? Man bekommt eben zu Weihnachten solche Bücher geschenkt! Manchmal hat man Glück und ein Günther Anders liegt auf dem Tisch, manchmal liegt eine Ulrike Herrmann darauf, die ich bisher nicht kannte, und man meint es gut, weil der Titel das Ende des Kapitalismus verspricht.

Was bleibt einem übrig, will man nicht in die Bredouille kommen, wenn man nach dem Gebrauchswert des Geschenkes gefragt wird, als einen Blick hinein zu werfen, auch wenn man gewarnt sein könnte?

Bevor ich in eine ernsthafte Krise stürze, d.h. die Frage zu stellen ist, ob es nicht genug ist, wenn man die Einleitung liest, gebe ich mir folgendes zu bedenken:

„Wissenschaftlich besteht kein Zweifel mehr, dass die Klimakatastrophe extrem bedrohlich ist und die Menschheit sogar auslöschen könnte.“

So autoritär geht es los - keine Analyse, keine Dialektik (Was ist denn das?!), sondern ein beweiskräftig schönes Bild vom Klimaforscher mit 98 % tödlicher Sicherheit. So geht eben Wissenschaft heute. Wir haben ja gerade eine extrem tödliche Pandemie hinter uns, und die wenigen 2 Prozent, die überlebten, sehen sich nun vor dem nächsten Horror stehen, oder doch schon mittendrin. (Wir fangen am besten wieder bei 100 % an!)

Auch hier gibt es Wissenschaftler, die das anders sehen, aber weg damit. Auch eine Differenzierung in Umweltverschmutzung und historischen Klimawandel – weg damit. Wir können uns also vorstellen, es drohe eine nächste Eiszeit und aus Protest dagegen, stellen wir das Brennen mit Brennholz ein. Aber das greift vor.

Denn zuerst wird ein großes Lob unserem(!) Wirtschaftssystems erteilt, das solches und solche hervorgebracht hat; furchtlos genannt: der Kapitalismus.

„Der Kapitalismus war außerordentlich segensreich.“*

„Mit ihm entstand das erste Sozialsystem in der Geschichte...“. Entstand dieses nun mit, durch oder gegen ihn? Ein bisschen Geschichte der Arbeiterbewegung könnte da helfen, aber man will nicht zu viel voraussetzen bei dieser radikalistischen Kapitalschmuskritikerin,

„...das kontinuierlich Wohlstand erzeugt hat“. Nun hier haben wir eine Wirtschaftstheorie, die mich an meinen Schulunterricht im Wirtschaftsgymnasium erinnert, wo noch alles rot bzw. schwarz drüben und weiß hüben war und der Fleiß der Unternehmer den Gewinn hervorzauberte und den Arbeitern den Wohlstand.

Krisen gab es damals nicht und heute gibt es für die Monomaninnen auch nur noch die eine große (Glaubens-)Krise. Also enden die Märchenstunden dieser Leute nie? Oder werden sie extra für diese Märchen gezüchtet?

Wie alle Gläubigen der Postmoderne geht der Weg nach innen: also Schrumpfen - zuerst den Horizont, dann Grünes. Die Reaktion, bei den Grünen gut aufgehoben, sehnt sich nach mehr Arbeit in der Landwirtschaft und auch im Wald…

Dass wir die Arbeiter aus den Städten bekommen (Aufstände!), hinaus aufs Land und in den Wald, wird diese beruhigen, denn sonst gäbe es Klimachaos und „wahrscheinlich ... ein Kampf aller gegen alle, den unsere Demokratie nicht überleben würde.“ Und ich dachte, den haben wir schon, zumindest in der Mittelschicht?

Der Ausweg ist nun die britische Kriegswirtschaft, ein romantischer Blick darauf, sagt uns, da hungerte niemand, und die Wirtschaft wurde passend für den Krieg ausgerüstet. (Leider war da Karl Kraus schon tot, außerdem in Österreich und mit dem WK 1 beschäftigt.) Nun also Kriegswirtschaft gegen den Kapitalismus durch einen autoritären Kapitalismus, bei dem ich freilich für die Demokratie nicht minder schwarz sehe. Aber wir haben von der Pandemie gelernt, wir müssen solidarisch sein, Opfer bringen, Pfizer & Co. werden es den Auserwählten danken. Und jetzt Opfer für den militärisch-industriellen Komplex und dann sind einfach alle anderen auch mal dran! (Große Opfer fordern große Oper, Herrmann bewirbt sich als Dirigent.)

Kurz noch mit Herrn Sinn, selten war ein Name unpassender, gegen die Chinesen, aber doch, die haben auch ein Interesse an Frau Hermanns Plan.

Wir haben hier also eine Neuauflage dessen, was man vor langer Zeit reaktionären Antikapitalismus nannte.

So endet die Einleitung, und nun will die Autorin noch Seiten füllen und uns erklären, wie dieses äußerst segensreiche Wirtschaftssystem (2. Weltkriege, aber das gehört natürlich nicht hierher) entstand und funktioniert, dann wird sie ihm einen Tritt in die richtige Richtung verpassen.

Das ist nun Spiegel Bestseller und bedient alte deutsche Ideologie – eben den romantischen Antikapitalismus.

Die Zukunft wird eine „Überlebenswirtschaft“. Die Arbeiter sind im Wald, die Frauen in der Landwirtschaft und Frau Herrmann beantragt das andere Geschlecht für ihren Namen. Soviel frau muss auch in der Überlebenswirtschaft sein.

 

Frage an meine Leser und Leserinnen: Soll ich das noch weiter lesen?

 

 

 

* Zu den Nebenkosten und Voraussetzungen nur eine Kleinigkeit, es gäbe noch mehr...: Das britische Imperium hat 165 Millionen Inder in 40 Jahren getötet: Wie der Kolonialismus den Faschismus inspirierte. (https://www.nachdenkseiten.de/?p=91937)

* Siehe auch die gute Besprechung in der jungen Welt.

 

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Köln 2022

 

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