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Belehrungen aus der Mittelschicht: z.B. Peter Schadt in der jungen Welt 26./27.8.23

Veröffentlicht am 27.08.2023

Linke Debatte? Einige wenige Unterlegungen ohne Schluss

zuerst

https://www.jungewelt.de/artikel/457801.linke-debatte-im-geiste-der-nation.html

 

"Die Aktualität der Migrationsfrage trifft dabei auf die größte Krise der Partei Die Linke". Kann man nur von der Migrationsfrage sprechen ohne deren Ursachen zu benennen? Wäre es nicht sinnvoll diese Frage, die eigentlich eine nach deren hauptsächlichen Ursachen ist, damit zu verbinden? Dass es verschiedene Formen und Gründe für Migration gibt, ist nichts neues, hier geht es um eine Mischung aus Armuts- und (Bürger-)Kriegsflüchtlingen. (Es geht nicht um das Recht auf politisches Asyl). Das nur als überflüssige Vorbemerkung. Und es geht leider nicht um die Vorgeschichte.

 Nebenbei: Dass (historische oder gegenwärtige) sozialistische Staaten ihre Grenzen schützen, ist genauso wenig zu diskutieren wie das kapitalistische Staaten bisher taten. Die Fragen sind, warum sie wie das tun? Ja, gut formuliert, "man" sollte keine Grenzen vor armen Menschen schützen, aber man sollte auch nicht die Konsequenzen einer imperialistischen Politik grün oder schön reden. V.a. nicht, wenn man selber es warm und gemütlich hat.

 Wenn es eine linke Migrationspolitik gibt, die die Interessen der nationalen Arbeiterklasse im hier und jetzt, nicht im "Zukunftsstaat", vertritt, ist das der erste(!) oder auch nur ein(!) Schritt in eine bestimmte Richtung. (Und man sollte die damit verbundene Problematik nicht den Rechten und nicht dem Staatskalkül überlassen.)

 Ein bisschen Staatskritik: "Der Humanismus, politisch Verfolgte aufzunehmen, hatte schon immer die handfeste Seite, damit ein negatives Urteil über den Staat zu fällen, dessen Oppositionellen man Obdach bietet." Gibt es daraus logische Konsequenzen? Aber geht es um politisch Verfolgte wie z.B. nach dem Putsch in Chile durch Pinochet?!

 "Dass inzwischen erkleckliche Teile der Welt den Kalkulationen der Weltmächte unterworfen sind und deren Rechnung weder dem in- noch ausländischen menschlichen Inventar sonderlich gut bekommt, hält »linke Migrationskritiker« nicht davon ab, genau diese Instanzen mit ihren globalen Gewaltkompetenzen als Instrumente für mehr Migrationsverhinderung anzusprechen."

Stimmt das, oder wird hier ein schwarzer Peter unterschoben? Die Linke ist nicht an der Regierung und ähnlich wie bei den Corona-Maßnahmen kann man oberflächlich etwas ähnliches wie eine rechte und/oder Regierungspartei fordern, das ist freilich anders motiviert mit anderen Konsequenzen. Aber das ist halt die beliebte "Kontaktschuld". Und wehe es regnet über rechts und links! Dann sollten Linke den Schirm unten lassen. (Hier ist eine Logik gemeint, keine Menschen...)

 "Damit wird die gewaltträchtige Ursache der modernen Migration in ihre gewaltbewährte Lösung verwandelt." Hier denkt einer in staatlichen Kategorien ohne Alternativen. Kein Linker ist für diese Frontex und dafür, dass die Menschen im Mittelmeer ersaufen. (Aber genauso muss man überlegen, wenn die Mittel begrenzt sind, wen man wo rettet. Wer das ausblendet, möchte eben vieles nicht sehen.)

Die Lage ist komplexer, und der, der sich in der Gegenwart einrichtet und nicht weiter blickt, kommt aus deren falschen Alternativen nicht heraus.

 Man kommt aus dem Thema nicht heraus, gewinnt keinen Überblick, wenn man nur eine Maßnahme im Gegenwärtigen verabsolutiert, und dann das, was man noch kurz vorher im Rundumschlag über die Verfaßtheit der kapitalistischen Welt schrieb, wieder unten gleich vergisst. Man könnte genauso gut gegen Schutzzölle argumentieren. Apropos: Wenn man die Kontaktschuldpolemik einmal umdreht, wer findet sich mit seiner offene-Grenzen-Forderung in welch schöner Gesellschaft?

Kleine Abschweifung: ja es sterben Menschen, aber denkt man mal etwa 100 Jahre zurück, da gab es Revolution, obwohl die auch Blut kostet, man hätte aber auch so weiter machen können, wie es die Verhältnisse fordern, die mehr kosteten. - Die jungen Migranten sollten in ihren Heimatländern gegen das Großkapital (Erdöl, Rüstung usw.) kämpfen, das heißt für Syrien, Afghanistan und viele Staaten mehr, gegen ihre lokalen Despoten, aber v.a. gegen die USA und ihre Koalition der Vasallen. (Wie wir auch!) "Wir" sind nur die andere Seite, die die Kriegsmaschinerie am Laufen hält und das für Humanität, was besonders an der Ukraine sichtbar wird.

Wenn dem Autor nicht gefällt, dass die Linke den nationalen Arbeits-Markt und die hiesigen Sozialsysteme vor "Missbrauch" schützen will, und dass die, die ihr Leben lang eingezahlt haben mit jenen gleichgestellt werden, die neu sind, was schon nach der "Wende" passierte, aber das ist ein anderes Thema) ja, das ist richtig. Aber nichts wird besser, wenn die nationale Arbeiterklasse als korrupt und Profiteur der kapitalistischen Weltgesellschaft denunziert wird. Lassen wir einmal die interessante Frage weg, obwohl sie zu stellen ist, ob das überhaupt die/eine Arbeiterklasse ist, die z.B. aus Afghanistan zu uns flieht...

Nur ein ziemlich abstrakter Humanismus, der nichts mit Politik aber viel mit Moral zu schaffen hat, also andere Interessen artikuliert, sieht von den direkten Interessen der Beteiligten ab. Natürlich kann man fordern, die dt. Arbeiterklasse soll ab gestern alles mit den Flüchtlingen teilen, weil die doch Opfer der westlichen Werte-Welt sind. Je näher man dieser Moral kommt, desto deutlich wird, wem sie dient. Nicht dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft.

 Nochmals, die nationalen Kampfbedingungen entscheiden darüber, wie erfolgreich der Kampf für eine Verbesserung der schlechten und sich verschlechternden Lebensbedingungen der Massen hier sind. Während frühere "Gastarbeitergenerationen" sich integrieren ließen, auch die Gewerkschaften dazu (teilweise) in der Lage waren, (obwohl die heutigen Wahlergebnisse z.B. der Türken zweifeln lassen, aber die sind auch bei den "Eingeborenen" tragisch.) hat sich die Lage heute etwas gewandelt. Das gilt es zu untersuchen. (Welche Rolle führende Teile der Gewerkschaften heute spielen, sieht jeder deutlich.)

 Das Elend dieser staatstragenden Argumentation wird hier besonders schön deutlich: "Warum sind es eigentlich nicht die Migranten, die unter der Konkurrenz der Deutschen leiden?" und nicht umgekehrt. Nun, wenn Herr Schadt gerne für die mehrheitlich moslemischen Migranten Politik machen will, gerne. Er findet bei der Zerstörung der Reste der hiesigen Arbeiterbewegung große Gesellschaft. (Ungleiches gleich behandelt, aber was Logik.)

 Warum veröffentlicht eine Zeitung, die sich marxistisch nennt, solche Beiträge? Will sie einmal mehr die "Debatte" anheizen, Klickzahlen generieren; leider nur eine, die das alles bestätigt; ganz grundsätzlich und aus dem Sumpf.

 Zu einer kommunistischen Sicht gehört Strategie und Taktik, Nah-, Zwischen- und Fernziele. Wer Proletarier, wer immer heute darunter fällt, aller Länder vereinigt euch jetzt, fordert, ist politisch nicht ganz ernst zu nehmen, so sympathisch das klingen mag. Das ist so eine Art von "Links" wie bei den Corona-Maßnahmen, als die besonders helle und radikale "Linke" forderte: Zero-Covid. Das sind so Weltbilder und Vorstellungen, die sich nur eine Mittelschichtslinke ausdenken kann, die um ihr geliebtes Leben fürchtet und dafür alles her gibt. Selbstmord aus Angst vor dem Tode, oder weniger dramatisch: Unterwerfung unters autoritäre Regime, weil man dann zu überleben hofft. (Wie im 1. Weltkrieg.)

 Die Mittelschicht hat erfolgreich sich von der Konkurrenz von Unten abgeschottet. (Siehe dazu Barbara Ehrenreich: Angst vor dem Absturz. Das Dilemma der Mittelklasse. München 1992) Nun möchte eine Linke die Interessen der nationalen (vielfältig zusammengesetzten) Arbeiterklasse vertreten, und um den Preis der Ware Arbeitskraft noch weiß, diese verteidigen unter vorgegeben, nicht selbstgewählten Umständen und in eine Richtung, wo diese Fragen keine mehr sein werden - hoffentlich. Da kommen nun die Angehörigen der akademischen Master-Mittelschicht und hauen ihr ihre höhere Moral um die Ohren. Nun ja, mit solchen Gewerkschaftern ist eben Staat zu machen und der akademische Nachwuchs wird nicht auf die schiefe Bahn geraten und der Lehrauftrag wird nicht gefährdet. Da sind mir die, die diesen verlieren oder schon verloren haben, näher, auch wenn sie nicht "links" sind, aber selber denken und Erfahrungen machen, die sie Zweifel lehren.

 Interessant ist, dass die Kriegsgegner ausgerechnet sich im hier geschmähten Lager befinden.

 Ach noch: besonders schön, das noch mit der "Heimat". (Ich habe einen kleinen Sprung über den mittleren Text gemacht, man muss nicht zu allen schönen Wendungen etwas schreiben.), indem Kapitalisten und Migranten als Feindbild der anderen ausgemacht werden. Fehlen noch die Juden, aber das Klischee ist schon fertig.

 "Wer sich also brav an seine Pflichten hält und ständig feststellt, dass ihm das nichts bringt, der sucht nach Schuldigen, die das verbrochen haben." Nun, da wären wir bei den staatstragenden Linken und den Gewerkschaften, manchen NGOs usw., kurz der geliebten Zivilgesellschaft oder großen Teilen davon.

 Man kann Wagenknecht und andere durchaus und zurecht kritisieren, aber nicht so. Ich hoffe, sie und ihre Freunde bekommen ihre Chance, um wenigstens zu zeigen, dass nicht alle Sozialdemokraten korrupt sind oder wie man früher sagte: Sozialimperialisten. (Das wäre nicht genug, aber besser als nichts, und was anderes sehe ich im Moment nicht. Das kann sich aber auch ändern.)

 

PS: Das ist ein Versuch, das Thema ist zu komplex, um es bei einem Text bewenden zu lassen. So ist die Kulturfrage spannend und widersprüchlich, so wie auch beim neuen Trans-Gesetz, wo man die Konsequenzen fürchten darf. Aber vielleicht ist auch dies das/ein Ziel?- Ich gehöre zur Generation der alten Linken, die diesem bürgerlichen Staat und seinen Parteien wenig Gutes zutraut, aber damit ist man ja schon ziemlich alleine bzw. nicht ganz. Alle anderen wollen in den Bundestag, oder, jetzt gibt es Gedrängel, ins europäische Parlament. So weit, so schaurig.

 

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Wir fangen wieder von vorn an. Dazu:

 "Genau so züchtet auch der Kapitalistenstaat Fachleute für Verblödung, Verdummung und Bändigung des Proletariats: bürgerliche Lehrer und Professoren, Pfaffen und Bischöfe, bürgerliche Skribenten und Zeitungsmacher. In der Schule lehren diese Fachleute die Kinder schon in den jüngsten Jahren dem Kapital zu gehorchen, „die Rebellen“ zu verachten und zu hassen; den Kindern werden verschiedene Märchen von der Revolution und der revolutionären Bewegung aufgetischt, die Kaiser, Könige, Industrielle usw. werden verherrlicht; die Pfaffen, die vom Staate ihren Sold beziehen, predigen in den Kirchen das Gebot „es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott wäre“; die bürgerlichen Blätter trompeten in beide Ohren tagaus tagein diese bourgeoise Lüge (Arbeiterzeitungen werden vom kapitalistischen Staate gewöhnlich unterdrückt). Ist es denn unter solchen Umständen für den Arbeiter leicht aus diesem Sumpf herauszukommen?" Nikolai Bucharin, Jewgeni Preobraschensky: Das ABC des Kommunismus.

 

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