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Theater heute

Veröffentlicht am 07.06.2023

Im Krieg gegen…

Es graust einen, schaut man sich in der Theaterlandschaft und in den damit beschäftigten Publikationen um.

Könnte man in kriegerischen Zeiten, wo Schwarz-Rot-GelbGrün sich für den langen Endsieg rüsten, nicht einfach wie schon einmal feindliche Autoren von Thomas Mann bis Bert Brecht verbieten? Nun, das käme im Ausland schlecht an, würde ungute Erinnerungen wecken und Kontinuität assoziieren, wo wir doch alle Nazis auf der Welt bekämpfen; außer bei uns und in der Ukraine.

Vielleicht ist das aber auch so nicht ganz richtig, indem wir die ukrainischen Kulturträger mit Preisen überhäufen, als Dank für ihre für unsere (BlackRock-) Werte gefallenen Brüder und Schwestern, ihnen Festivals widmen, wo Theater als Therapie- und Krisen- (Bewältigungs-) Veranstaltung geführt und mit ukrainisch und jiddisch gesungen Liedern das Publikum aufgerührt wird; ob hier Herr Melnyk & Co. mitsingen würden, das wissen wir leider nicht. Das Eröffnungslied des Festivals „Radar Ost“ handelt von einem toten Soldaten, der einen Vogel bittet, die Mutter zu grüßen, aber ihr zu verschweigen, dass er tot sei.

Nun, vielleicht ist er gar nicht tot?! In einem anderen Lied von einem toten Soldaten erfahren wir mehr: Und als der Krieg im vierten Lenz / Keinen Ausblick auf Frieden bot / Da zog der Soldat seine Konsequenz / Und starb den Heldentod...

Hier geht’s zum ganzen Gedicht: https://totentanz-online.de/medien/musik/brecht.php

 

Das schwarzrotgelbgrüne Publikum darf immer wieder der „ritualisierten Beschwörung der ukrainischen Nationalflagge“ beiwohnen und „Slava Ukraina“ rufen, was das so bedeutet, wissen sie wohl. „Seit den Wendejahren“, lesen wir, durften das dortige Publikum, ich würde da nicht hingehen, das sind mir zu viele Drohungen, „Einheit erleben“.

 

Da sich niemand dort für die Vorgeschichte interessiert, hier meine:

„Die ‚vaterländische Erhebung‘ manifestierte sich zunächst in Schauspielen wie Die Waffen her, Alles mobil, Nun aber wollen wir sie dreschen und ähnlichen patriotischen Stücken, deren Autoren heute meist gründlich vergessen sind. (…) Als Terminus für solche Stücke bürgerte sich schnell das Wort vom ‚Kriegsschund‘ ein. Auch die Operetten-Autoren versuchten mit Werken wie Immer feste druff (Walter Kollo, der Untertitel lautete: ‚ein vaterländisches Volksstück in vier Bildern‘), Gold gab ich für Eisen (Kálmán), Die wehrpflichtige Braut (Werther), Das Weib des Reservisten (Buchbinder) oder Seemannsliebchen (Fall) dem Zug der Zeit zu folgen. Der patriotische Überschwang hielt jedoch nur bis Ende 1914 an.“

 

Nun, ich warte darauf, dass in Berlin bald „Gold gab ich für Eisen“ zu sehen und hören und empfinden(!) sein wird. Ich vermisse aber doch die seinerzeit so beliebten und erfolgreichen Kriegsanleihen. Da sind wir heute viel weiter, es wird gar nicht mehr gefragt werden, ob wir Gold für Eisen geben wollen, das bucht die Regierung direkt von unserem Konto ab und bei Rheinmetall usw. darauf. Dort ist es freilich, wie wir an den Aktienkursen sehen, andersherum: Eisen gab ich für Gold, das dürfte das erfolgreichste Geschäftsmodell in nächster Zeit sein.

 

Zurück zu Mann und Brecht. Da wir lesen, dass die folgende Generation immer weniger liest, die entsprechende Fähigkeit sich langsam verliert, also eine neue Generation heranwächst, die einen 900 Seiten Roman in einer Abendveranstaltung abfertigt, ja da braucht man nichts mehr zu verbieten, denn hier bildet sich keine eigene Welt mehr und schon gar kein kritischer Gedanke.

 

Trösten wir uns mit der shakespearschen Formel:

„Gott, wer das sagen: schlimmer kanns nicht werden?
‘s schlimmer nun als je.
Und kann noch schlimmer gehen; ‘s ist nicht das Schlimmste
Solang’ man noch sagen kann: dies ist das Schlimmste.“

Ja wir haben die Zeitenwende, was lange unter den Teppich gekehrt wurde, ist wieder obenauf. Das Vaterland wurde modernisiert und ist jetzt (en) woke.

PS: Nur sollte an die Mahnung des Stuttgarter Hofintendanten von Putlitz erinnert werden, der das schon 1914 schrieb: „Überhaupt haben wir im Theater den Eindruck, dass das Publikum dem allgemeinen Verlangen der Presse, in jetziger Zeit nur noch hochtrabend zu kommen, gar nicht gefolgt ist; die Leute sind froh, wenn sie sich nach der angestrengten Tagesarbeit einmal etwas fernliegendes aufnehmen können, selbst wenn es ein lustiger Schwank oder eine Operette wäre. Wenn man den ganzen Tag über an Patriotismus denken soll und dann Abends im Theater auch nochmals mit der Peitsche zum Hurra aufgetrieben wird, so ist das entschieden zu viel.“

Das sind wir wieder bei der guten Unterhaltung, die ist jetzt nötiger denn je.

 

 

Lit.:

Theater heute 6/23

2023 Walter, Michael: Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1919-1945. Metzler 1995

Wer etwas über die heutige Zeit erfahren möchte: Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit

„Optimist: Merken Sie denn nicht, daß eine neue, eine große Zeit angebrochen ist?
Nörgler: Ich habe sie noch gekannt, wie sie so klein war, und sie wird es wieder werden.“

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